selektiver Mutismus

Informationsblatt zu selektivem Mutismus

Ob ein Mutismus vorliegt, kann nur von Ärzten, Psychotherapeuten oder fachkompetenten Logopäden oder Sprachtherapeuten festgestellt werden, da es auch andere Gründe geben kann, warum ein Kind in der Einrichtung nicht spricht.
Im Folgenden finden Sie

  • Informationen aus der Fachliteratur
  • Informationen zu möglichen Ursachen und Zusammenhängen
  • Empfehlungen zum Umgang
  • Weiterführende Links

               

Informationen, die in der Fachliteratur zu finden sind
Definitionen:

 

Selektiver Mutismus ist eine Störung der Kindheit, die als eine umfassende Sprachlosigkeit in mindestens einer spezifischen Situation auftritt, trotz der Fähigkeit, in anderen Situationen zu sprechen.“ (Dow et al. 1999, 19, Übers. Katz-Bernstein 2007)

 

Mutistische Kinder besitzen meist die Fähigkeit zu sprechen. Sie setzen diese jedoch in für sie fremden Situationen, an bestimmten Orten und/oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis nicht ein. Sie verstummen, erstarren oder verständigen sich ausschließlich und konsequent mittels Gesten, Mimik oder schriftlichen Mitteilungen“. (Hartmann 1992)

 

Sobald jemand Fremdes in den Raum kommt, schweigen die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Diese Stummheit bezieht sich in der Regel nicht nur auf die verbale Kommunikation, sondern auf das gesamte körperliche Kommunikationsverhalten. Eine starre Haltung, die Arme an die Seiten des Körpers gepresst, ist ebenso typisch wie fehlende nonverbale Kommunikationsmittel, z.B. Blickkontakt, Kopf nicken oder schütteln (Katz-Bernstein, 2011, S. 28-30).

 

Das Schweigen löst beim Gegenüber Fantasien und Erklärungsversuche aus. Oft wird das Schweigen als Trotzreaktion oder als Schüchternheit interpretiert, was zur Annahme führt, dass es sich schon wieder von alleine legt. Diese Interpretationen führen zu Reaktionen, welche das Schweigen verlängern oder die Symptome verstärken können (Ballnik, 2009, S. 15-17).

 

Selektiv mutistische Kinder wirken oft ängstlich und innerlich verunsichert. An sich ist Angst ein sinnvolles Schutzsignal, welches uns auffordert vor Gefahren auszuweichen. Zu dieser bestehenden Ängstlichkeit lösen fremd bleibende Situationen und Menschen weitere Angstreaktionen bei den betroffenen Kindern aus, welche sich auch körperlich zeigen.

 

Zu diesen Reaktionen gehören beispielweise erhöhte Puls- und Atemfrequenz sowie vermehrte Schweißproduktion. Diese Angstreaktionen finden unbewusst statt. Die Kinder und Jugendlichen haben keinen Einfluss darauf. Dieses Gefühl der Angst lässt sich am treffendsten mit einer Mischung aus Aufregung, Anspannung, Besorgtheit, Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und innerer Unruhe beschreiben. Diese Angstreaktionen der Betroffenen können sie an den Rand der sozialen Gruppe stellen (Bahr, 2012, S. 32-36).

 

Die körperliche Anspannung der Kinder kann so weit gehen, dass einige Kinder mit selektivem Mutismus an fremden Orten nichts Essen oder auf Toilette gehen können. Auch wenn die Kinder schon längere Zeit in der Kindertagesstätte oder in der Schule sind, wird ihnen dieser Ort meist nicht vertraut. Viele Kinder sind eine lange Zeit des Tages in der Einrichtung. Die Tatsache während der gesamten Zeit weder Nahrung aufzunehmen noch die Toilette benutzen zu können, bedeutet für die Körper der Kinder und Jugendliche eine enorme Anstrengung. Die Begebenheit sich nicht bemerkbar machen zu können, wenn man auf Toilette muss, kann auch dazu führen, dass Kinder, welche schon lange trocken sind, einnässen.

 

Die Reaktionen der Pädagogen, die dieses Verhalten nach sich zieht, macht die Situation für die Kinder meist noch schwieriger. Scham wird zu einem ständigen Begleiter.

 

Diese Symptome gehen nicht spurlos an den Kindern vorbei. Sie hinterlassen ihre Spuren am Selbstwertgefühl wie auch am Selbstbewusstsein (Ballnik, 2009, S. 78-85).

           

Informationen zu den möglichen Ursachen und Zusammenhängen zum Verhalten:

  • Die Tendenz für sozialängstliches Verhalten ist z.T. schon bei Säuglingen sichtbar
  • Mutismus ist kein Erziehungsfehler
  • Familiäre Diathese ist häufig
  • Hohe Aktivität der Amygdala (Angstzentrum im Gehirn)
  • Für Mutisten ist die Konfrontation mit Unbekanntem oder Gruppen meist mit Stress verbunden, auf diesen kann der Körper dann manchmal nur noch mit einer gesamtkörperlichen Blockade reagieren. Folglich kann das Kind nicht mehr sprechen und verhält sich körperlich starr
  • Mutisitsche Kinder haben oft Angst zu sehr im Mittelpunkt zu stehen, auch befürchten sie oft, etwas falsch zu machen
  • Mutismus tritt oft in Kombination mit Mehrsprachigkeit oder einer Sprachentwicklungsverzögerung auf
  • Viele Kinder mit selektiven Mutismus haben oft Angst, etwas falsch zu machen. Wenn dies so ist, reagieren oder handeln sie oft gar nicht und erstarren.

  

   

Empfehlungen zum Umgang mit dem Nicht-Sprechen

  • Das Schweigen nicht persönlich nehmen!
  • Die Begleitung von Kindern mit selektivem Mutismus bedeutet für Sie als Erzieher eine besondere Herausforderung
  • Das Nicht-Sprechen als aktives Handeln erkennen, das früher oder auch jetzt einen brauchbaren Zweck für das Kind erfüllt hat
  • Das Schweigen kann von dem Betroffenen nicht bewusst unterlassen werden, das Kind kann die Situation vermutlich noch nicht aktiv beeinflussen
  • Nicht zum Sprechen auffordern oder gar drängen
  • Jede Aufforderung zum Sprechen erhöht den Druck auf das Kind und die Angst vor dem nächsten Sprechanlass
  • Nutzen Sie nonverbale Kommunikationsformen
  • Die Erfahrung des "Versagens", des Nicht-Antworten-Könnens machen die Kinder ohnehin schon viel zu häufig
  • Mit ersten Äußerungen des Kindes sensibel umgehen (nicht hervorheben)
  • Stellen Sie das Kind nicht in den Mittelpunkt (negativ wie positiv)
  • Fördern Sie die soziale Interaktion und Partizipation
  • Unsere Aufgabe besteht darin, zu begleiten, Kompetenzen zu fördern, uns in Geduld zu üben und verstehen zu lernen.
  • Vertrauen sollte als Basis und die Sensitivität sowie Transparenz als gemeinsames Kooperationsprinzip gelten. (Prof. Dr. Hruska; Freie Uni.Berlin)


Therapeutische Interventionen bei selektivem Mutismus erfordert immer im Verlauf der Behandlung eine vernetzte Arbeit mit allen Beteiligten. Wir danken für Ihre Mithilfe!

Weitere Informationen und Screenings zu selektivem Mutismus finden Sie unter
www.sk.tu-dortmund.de/dortmus/DortMuS-Kita.pdf
oder
www.selektiver-mutismus.de


Für eine individuelle Beratung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Vielen Dank für Ihr Interesse

   

Informationsblatt zu selektivem Mutismus für LehrerInnen.pdf

Informationsblatt zu selektivem Mutismus für ErzieherInnen in Kindertagesstätten.docx